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Frauenpower im Stadtspital Zürich Triemli, vl.: Jessica Reimann und Jeannine Vogt (Gruppenleiterinnen Hebamme) Karin Breu (Leitende Ärztin Frauenklinik), Natalie Gabriel (v.; Chefärztin Frauenklinik), Nathalie Colling (Stationsleiterin Hebamme), Gabriella Stocker (stv. Chefärztin Frauenklinik). Bilder: Christian Lanz

Eine gute Geburt fängt in der Schwangerschaft an

Von: Ginger Hebel

02. Mai 2024

Vor Kurzem eröffnete das Stadtspital Zürich Triemli seine neue, moderne Geburtenabteilung im renovierten Hauptgebäude. Gabriella Stocker, stv. Chefärztin Geburtshilfe Frauenklinik, spricht über wichtige Neuerungen, Ängste von Schwangeren und die Betreuung im Wochenbett. 

Jedes dritte Kind in der Stadt Zürich wird im Stadtspital Zürich geboren. Mitte März wurde die Frauenklinik ins sanierte Hauptgebäude integriert. Künftig befinden sich das gesamte gynäkologische Angebot wie auch die Geburtshilfe mit Ambulatorium und Geburtenabteilung unter einem Dach mit Kinderklinik, OPs und Intensivstation. Dr. med. Gabriella Stocker (53, drei Kinder) ist stv. Chefärztin Geburtshilfe in der Frauenklinik Triemli und begleitet werdende Eltern medizinisch und mental.

Die Anzahl Geburten ist stark rückläufig. Die Frauenklinik des Stadtspitals Zürich Triemli verzeichnete jedoch eine Zunahme von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im letzten Jahr erblickten 2303 Babys das Licht der Welt. Das sind erfreuliche Neuigkeiten.

Gabriella Stocker: Ja, sehr. Bei uns im Stadtspital Zürich Triemli kommen im Schnitt täglich zwischen drei bis zwölf Babys zur Welt. Die Eröffnung unserer neuen, modernen Geburtenabteilung stösst in der Bevölkerung auf grosses Interesse. Das Stadtspital steht allen Frauen offen, egal, welcher Versicherungsklasse sie angehören – von allgemein über halbprivat bis privat.

Die Frauenklinik des Stadtspitals Zürich Triemli wurde jüngst ins sanierte Hauptgebäude integriert. Welche Vorteile entstehen dadurch?

Ab sofort befindet sich die Frauenklinik im gleichen Haus wie die Kinderklinik, die Neonatologie und die Intensivstation. Die Verlegung der Frauenklinik inklusive Geburtenabteilung ins Hauptgebäude ermöglicht es, ein medizinisch hochwertiges und modernes Angebot für Patientinnen bereitzustellen. Bisher waren das Hauptgebäude des Stadtspitals und die Frauenklinik voneinander getrennt – mit dem Nachteil, dass sich nicht alle Fachpersonen und Infrastruktur im gleichen Gebäude befanden. In Notfallsituationen sind die Operationssäle auf demselben Stockwerk wie der Notfall und dementsprechend schnell erreichbar. Die Distanz zur Neonatologie beträgt lediglich 40 Meter. Wir bieten Rund-um-die-Uhr-Betreuung unter einem Dach. Das ist ein grosser Fortschritt für die medizinische Versorgung der Frauen.

Wie gelingt eine gute Geburt?


Eine gute Geburt fängt bereits in der Schwangerschaft an. Eine bewusste, gesunde Ernährung ist genauso wichtig wie eine positive Einstellung. Eine Schwangerschaft lässt sich jedoch nicht immer beeinflussen. So wie es sich nicht genau planen lässt, wann man schwanger wird, lässt sich auch nicht planen, wie eine Schwangerschaft und Geburt verläuft. Mein Rat an alle schwangeren Frauen: entspannt und offen bleiben. Eine liebevolle Betreuung sowie Fachwissen sind entscheidend, um sich unter der Geburt wohl zu fühlen und vertrauen zu können. Einerseits gehören dazu Hebammen, die eine Spontangeburt begleiten, aber auch Fachärztinnen und Ärzte für die regelabweichende Geburt wie zum Beispiel einen Kaiserschnitt.

Wie lange dauert eine Erstgeburt im Schnitt?

Das ist sehr unterschiedlich. In der Regel öffnet sich der Muttermund einen Zentimeter pro Stunde, in der Latenzphase langsamer als gegen Schluss. Es gibt Frauen, die das erste Kind in drei Stunden gebären, bei anderen dauert der Geburtsprozess 24 Stunden.

Wird bei der zweiten Geburt alles einfacher?

Ja. Wenn der Muttermund schon einmal geöffnet war, dauert der Geburtsprozess beim zweiten Kind weniger lang. Mit der Geburt des ersten Kindes leistet eine Frau sozusagen Vorarbeit für darauffolgende Geburten. Viele schwangere Frauen haben grosse Angst vor der Geburt, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt und oft schlimme Geschichten hören oder lesen. Zu viele ungefilterte Informationen schüren Ängste. Ich empfehle deshalb, nicht zu viel Zeit in Internetforen zu verbringen, da dort oft mehr negative als gute Erlebnisse geteilt werden. Bei Fragen sollte man sich immer ans Fachpersonal wenden. Auch Geburtsvorgespräche mit Hebammen sind hilfreich, um Bedenken und Irrtümer aus dem Weg zu räumen.

Sex in der Schwangerschaft, ja oder nein?

Sex in der Schwangerschaft ist erlaubt und hat keinen Einfluss, sofern die Schwangerschaft normal verläuft und keine Risikofaktoren, zum Beispiel eine abnorme Plazentalage, vorliegen. Auch über Geschlechtsverkehr im Wochenbett (dem 6- bis 8-wöchigen Zeitraum der Regeneration nach der Entbindung) wird ungern gesprochen. Die Zeit nach der Geburt erleben viele Frauen als belastend. Sie sind oft hin- und hergerissen zwischen Kind und Mann und benötigen Zeit, um sich in ihrer neuen Rolle als Mutter zurechtzufinden. Die Geburt eines Kindes ist ein grosser Übergang im Leben.

Eine Geburt bedeutet oft Schmerzen. Wie verbreitet ist die Periduralanästhesie (PDA)?

Es existieren kulturelle Unterschiede. Im Welschland und in Frankreich beispielsweise greifen 90 Prozent der Gebärenden auf diese Form von Schmerztherapie zurück, in anderen Ländern nur 10 Prozent, bei uns in der Deutschschweiz macht knapp die Hälfte aller Gebärenden davon Gebrauch. Wir bieten die PDA allen Frauen an, die Angst vor Geburtsschmerzen haben. Die regionale Anästhesie kann, je nach verwendeter Technik, zur Schmerzlinderung und zur kompletten Schmerzausschaltung angewendet werden. Allerdings beeinflusst die Dosierung auch den Geburtsverlauf, der dadurch oft länger wird, da die PDA auch die Wehen stoppen kann. Dass eine PDA aber die Wahrscheinlichkeit eines Kaiserschnitts erhöht, stimmt nicht.

Viele Frauen wollen eine vertraute Person mit zur Geburt nehmen, die sie mental unterstützt. Wen bringt eine Schwangere im Idealfall mit?


In den letzten Jahren hat es sich durchgesetzt, dass die werdenden Väter ihre Partnerin bei der Geburt begleiten. Oft möchten die Frauen aber auch, dass die Mutter, Schwester oder eine Doula als Unterstützung an ihrer Seite ist. Bei einem langen Geburtsverlauf kann es praktisch sein, wenn sich die Begleitpersonen abwechseln können. Wichtig ist, dass sich die Frau wohlfühlt.

Nach einer natürlichen Geburt bleibt eine Frau im Normalfall zwei Nächte im Spital. Das ist nicht lang.

Die mittlere Aufenthaltsdauer beträgt heutzutage 3,1 Tage. Das ist kürzer im Vergleich zu früher, allerdings wurde die Betreuung zuhause deutlich verbessert. Dank eines grossen Hebammen-Netzwerks ist es heute möglich, dass Wöchnerinnen bis zu 20-mal Besuch von einer Hebamme bekommen, die Tipps zum Stillen und zur Pflege gibt. Im häuslichen Umfeld können die Mütter konkreter in ihrem eigenen Alltag angeleitet werden, davon können die Eltern mehr profitieren.

Sie sind stv. Chefärztin der Geburtshilfe. Was bedeutet der Beruf für Sie?

Ich übe diesen Beruf seit 25 Jahren aus. Ich habe in all der Zeit nie eine Sinnkrise erlebt, bin jeden Tag mit spannenden Herausforderungen und neuen Menschen konfrontiert. In diesem Beruf lernt man stets dazu, auf fachlicher, vor allem aber auf menschlicher Ebene. Ich darf viele Paare auf dem Weg zum Elternsein begleiten, das ist eine sehr schöne Aufgabe.

Heute sind viele Frauen, aber auch Männer älter, wenn das erste Kind kommt. Sind sie auch gelassener?

Nicht unbedingt. Jüngere Eltern informieren sich oft weniger intensiv. Sie lassen alles mehr auf sich zukommen. Im Gegenzug sind sie oft weniger gut vorbereitet, wenn das Kind dann zur Welt kommt. Ältere Paare sind oft strukturierter und planen viel mehr. Das kann aber auch belastend sein, wenn es eben nicht nach Plan läuft.

Eine Schwangerschaft dauert in der Regel 40 Wochen und somit 10 Monate. Kommen die meisten Kinder eigentlich termingerecht zur Welt?

Eine Schwangerschaft wird in Lunarmonaten gezählt. Nach dieser Zählweise dauert sie insgesamt 280 Tage. Die Zählung der Schwangerschaftswochen beginnt stets mit der letzten Regelblutung der Frau. Dies, weil eine Schwangerschaft früher noch gar nicht per Ultraschall feststellbar war. Die meisten Kinder kommen in der Zeitspanne drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin bis zwei Wochen danach zur Welt. Kinder, die vor der 37. Woche geboren werden, gelten medizinisch gesehen als Frühchen. Das sind knapp 10 Prozent.

Die Schweiz kennt – anders als Deutschland und viele andere Länder – keinen vorgeburtlichen Mutterschutz. Arbeiten, bis die Wehen kommen, ist das die Realität?

Ja, das ist eine schwierige Situation für viele Frauen, weil sie nicht wissen können, wie die Schwangerschaft verläuft und wann das Kind genau kommt. Aber auch für Arbeitgeber, die nicht planen können, weil es nicht abschätzbar ist, wann die Frau ausfällt und ersetzt werden muss. Diese Situation ist in der Schweiz nicht zufriedenstellend gelöst.

Spielt bei der Wahl des Geburtsspitals auch die Distanz zum Wohnort eine Rolle?

Beim ersten Kind spielt die Distanz kaum eine Rolle, da sich die Wehen ankündigen und meist genügend Zeit bleibt, um zu reagieren. Wir raten den Frauen immer, uns anzurufen und uns den Wehenverlauf zu schildern, damit wir eine gemeinsame Einschätzung machen können. Frauen wissen instinktiv, wann sie sich mit Wehen auf den Weg machen müssen. Dass man es nicht mehr rechtzeitig ins Spital schafft, ist eine Seltenheit.

Wie erleben Sie als Ärztin die Geburt eines Kindes?

Eine Geburt ist jedes Mal ein wunderschöner Moment. Es ist ein grosses Ereignis im Leben einer Familie, das wir begleiten dürfen. Es gibt aber auch traurige Schicksale, die aufwühlen. Wir sind auch nur Menschen. Gefühle wie Freude und Trauer dürfen Platz haben, sofern die Professionalität nicht darunter leidet. Zum Glück sind die allermeisten Kinder und Frauen gesund, und wir haben das Privileg, ihnen in einem der wichtigsten Momente im Leben zur Seite zu stehen.

 

 

Gebären heisst loslassen

Am 18. März nahm die Frauenklinik im Stadtspital Zürich Triemli ihren Betrieb in den neuen Räumlichkeiten auf. «Die Infrastruktur im bisherigen freistehenden Gebäude der Frauenklinik war nicht mehr zeitgemäss. Wir sind sehr froh über den Umzug in die modernen Räumlichkeiten», sagt Nathalie Colling, Stationsleiterin Hebamme. Die Verlegung der Frauenklinik inklusive Geburtenabteilung ins Hauptgebäude ermöglicht es, ein medizinisch hochwertiges Angebot bereitzustellen. In Notfallsituationen sind die Operationssäle auf demselben Stockwerk schnell erreichbar und die Distanz zur Neonatologie beträgt lediglich 40 Meter. Durch die Verlegung können auch gynäkologische Eingriffe effizienter im Kernspital durchgeführt werden.

Die Frauenklinik umfasst die Gynäkologie, das Brustzentrum, die gynäkologische Tumormedizin sowie die Geburtshilfe. Alle Abteilungen wurden im sanierten Hauptgebäude des Triemli neu eröffnet: die Geburtshilfe mit Geburtenabteilung und Ambulatorium im Sockelgeschoss des Turms sowie die Bettenstation im neuen Bettenhaus. Allgemeinversicherte Frauen werden nach der Geburt in Zweibett-Zimmern untergebracht, Halbprivat- und Privatversicherte in Einzelzimmern. Das bewährte Ambulatorium Gynäkologie mit seinem Krebs- und Brustzentrum ist bereits seit Mitte 2022 im erneuerten Turm untergebracht. Die Kinderklinik mit Kindernotfall und Neonatologie befindet sich im Bettenhaus.

Mehr Gebärwannen

Zu den neugestalteten Einrichtungen der Geburtenabteilung gehören zwei vollausgestattete Neugeborenen-Räume, ein neuer Kaiserschnitt-Saal und elf Gebärzimmer, davon acht mit Gebärwannen. In der alten Frauenklinik gab es nur deren drei. «Deshalb kam es oft vor, dass Gebärende das Zimmer wechseln mussten, das ist heute nicht mehr so. Badewannen sind ein grosses Bedürfnis der Frauen. Nicht alle bevorzugen eine Wassergeburt, doch das Wasser an sich ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Entspannung, gerade in der Eröffnungsphase einer Geburt», erklärt Nathalie Colling. Die 55-Jährige hat drei Kinder und ist seit über 30 Jahren Hebamme. Es ist ihr Traumberuf. «Ich wollte nie etwas anderes machen. Jede Geburt ist anders. Eine Frau in diesem wichtigen Moment im Leben zu begleiten, ist etwas sehr Schönes und Emotionales.»

 

Die neuen Gebärsäle sind grosszügig gestaltet und kommen in warmen Farben daher. «Erdtöne haben eine beruhigende Wirkung. Es ist wichtig, dass sich eine Frau unter der Geburt so wohl wie möglich fühlt», sagt Colling. Zur Entspannungsförderung stehen verschiedene Methoden zur Auswahl wie Homöopathie, Akupunktur, Aromatherapie, daneben stehen schulmedizinische Methoden wie Schmerzmedikamente und die Periduralanästhesie (PDA) zur Verfügung, unter welcher die stärks­te Schmerzlinderung erfolgt. Auch gibt es Hilfsmittel, welche die Schwangeren zur Erleichterung des Geburtsverlaufs benutzen dürfen wie Stillkissen, Matten, Würfel und Gebärhocker. Die Umgebung müsse stimmen, wichtig seien aber vor allem die Menschen, die eine Geburt begleiten. «Die Präsenz der Hebamme ist das A und O. Auch Vertrauen ist wichtig», sagt Nathalie Colling.

Zehn Babys in einer Nacht

Die natürliche Geburt ist im Triemlispital das oberste Ziel. Doch aus medizinischer Sicht ist sie nicht immer möglich. In der Schweiz kommen rund 30 Prozent aller Kinder per Kaiserschnitt auf die Welt. Ein Notfall-Kaiserschnitt wird durchgeführt, wenn während einer natürlichen Geburt Komplikationen auftreten. Der geplante Kaiserschnitt kann medizinische oder persönliche Gründe haben. Das Triemlispital ist ein Grossbetrieb, gearbeitet wird im 3-Schicht-Betrieb, daher kann es vorkommen, dass bei einer längeren Geburt verschiedene Hebammen zum Einsatz kommen. «Für die Gebärende ist das ein Vorteil: Mit dem Schichtwechsel übernimmt eine neue Hebamme die Betreuung mit frischer Energie», erklärt Colling.

Kinder kommen im Triemli rund um die Uhr zur Welt. Vor wenigen Wochen waren es zehn Babys in einer einzigen Nacht. Nathalie Colling ist sich bewusst, dass viele Frauen Angst vor der Geburt und vor den Schmerzen haben, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Aus Erfahrung weiss sie: «Überinformation und zu viel Planung können hemmen. Gebären funktioniert nicht mit dem Kopf. Gebären heisst loslassen.» Ein Austausch unter Schwangeren sei gut und wichtig, «aber gerade in Internetforen werden oft nur die negativen Geburtserlebnisse geteilt, das entspricht nicht der Realität.» Bei offenen Fragen helfen Vorgespräche mit Fachpersonen. Zudem besteht für Schwangere die Möglichkeit, Geburtsvorbereitungskurse zu besuchen sowie Gebärabteilungen in den Spitälern persönlich zu besichtigen und sich so ein Bild von den verschiedenen Angeboten zu machen. Nathalie Colling sieht es als ihre Aufgabe, die Frauen zu bestärken und ihnen Selbstvertrauen zu schenken. «Sie müssen auf ihr Bauchgefühl achten und sich bewusst sein: «Sie schaffen das!»

Tag der offenen Tür

Die Welt der Frauengesundheit am Tag der offenen Tür im Stadtspital Zürich Triemli!
Am 8. Juni, 11 bis 17 Uhr. Interessierte erwartet ein facettenreiches Programm, das im Zeichen der Gesundheit von Frauen steht und zugleich die Eröffnung der neuen Frauenklinik feiert. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht nötig. Weitere Informationen unter:


www.stadtspital.ch/frauengesundheit

 

 

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